Geschichte der Werthmühle von Dr. Berg (um 1935)

(undatierter Zeitungsartikel von Dr. Alfred Berg, mutmaßlich um 1935, zitiert auch im Etzlebener Amtsblatt Nr. 12 )

Aus der Geschichte unserer Heimat


Von den Mühlen unserer Heimat

Die Werthmühle bei Etzleben


Die Werthmühle hat ihren Namen von einem Werde, d.h. von einer dort befindlichen Insel in der Unstrut. Werder (Wert, Werd, Wört, Wörd); man vgl. die Wurten oder Warsten an der Nordsee) bedeutet: Flußinsel. So heißen die bei der Gorslebener Unstrutmühle liegendenen Weideninseln die Werde (Werthe). Daher heißt auch das eine der beiden Güter in Groß- Vargula das Wörtsgut. Die Wört bei Kindelbrück ist jetzt keine Insel mehr. Solche Werthmühlen gab es auch anderswo, z. B. bei Ibbenbühren in Westfalen. Bei Ochtendung (Kreis Wanen) liegen zwei Werthmühlen, bei Almendorf (Fulda) eine Werthesmühle. In Berlin gibt es mehrere Familien mit dem Namen Wethmüller. In Lausanne in der Schweiz wohnte 1771 ein Wertmiller.
Von allen Mühlen an der Unstrut ist die Werthmühle bei Etzleben die geschichtlich bedeutendste. Auch wirtschaftlich hat sie von jeher eine große Rolle gespielt. In einer Uebersicht über den Kreis Eckartsberga von 1829 (Akten im Kölledarer Landratsamt Rep. 1 Loc. 2, ?13) wird die Werthmühle als bedeutende Mahl- und Oelmühle ganz besonders genannt.
Unsere Werthmühle wird zum ersten Mal im Jahr 1348 genannt. Damals verkauft der Ritter Berthold Kämmerer, des Grafen Heinrich von Beichlingen (der auf der Sachsenburg wohnte) getreuer Burgmann auf der Sachsenburg, auf dem Ding (Gericht) zu Kannawurf (welches der Sachsenburger Burgvogt Albrecht zu Topfleben abhielt) an das Kloster Kapelle 10 Acker Wiesen "in dem wenigen gehen kegin (gegen) der werd mullin bei Kannawurfin" . - Das Kloster Kapelle lag an der Wipper zwischen Günserode und Seega. Von ihm ist nichts mehr vorhanden,  nur die Kapellmühle erinnert noch an das frühere Kloster.
Im Jahr 1355 übergab Graf Hermann von Beichlingen auf der Sachsenburg demselben Kloster Kapelle 21/2 Acker Wiesenwachs1) "gelegin bi der Wertmüllen zu Kannewerfin" und erhält dagegen vom Kloster 10 Pfennig Jahreszins von einem Hof in Maasleben. Zeugen sind drei Burgmänner auf der Sachsenburg: Ritter Ekhard Riche (Reiche, dives), Knappe Berlt (Berthold) Kämmerer und Knappe Johann von Mühlhausen (= Groß-Mölsen bei Erfurt). - Das Dorf Maasleben lag bei Bilzingsleben an der Wipper; die Erinnerung daran bewahrt wieder eine Mühle: die Maasleber Mühle.

Die Werthmühle selbst war Besitz des Klosters Frankenhausen, das in Etzleben reich begütert war und dort auch den Klosterhof (Vogteihof, Riethof) besaß. Auch die Kommende Griefstedt des Deutschen Ritterordens scheint zeitweilig Mitbesitzerin gewesen zu sein. (Sonst erscheint die Kommende nicht als Grundbesitzer in Etzleben. Doch hat die Kommende 1688 die Jagd in der Etzlebener Flur.)
Im Jahr 1497 bestimmen nämlich Wygandt Holtzadell, der Griefstedter Komtur und der Probst des Klosters Frankenhausen "als Lehns- und Oberherren der Werthmühle" über den Bau am Damm und am Wehr in der Unstrut bei Griefstedt. Ferner haben wir aus dem Jahr 1505 eine Urkunde betreffend der Werthmühle "von wegen der Dorfschaften Kannewerffen, Gorsleuben, Buchelle, Etzleubin und das Dorff Griffstedt", wonach festgesetzt wird, daß nach den Bestimmungen der Urkunde von 1497 verfahren werden soll. Im Jahr 1550 schweben Irrungen zwischen den Gemienden Dorf Griefstedt, Büchel, Gorsleben und Etzleben sowie auch dem Werthmüller und dem komtur zu Griefstedt von wegen des "Talehnes" (Tal- Lehm ?) des Grabens und einer Brücke.
Im Jahr 1557 wird das Kloster Frankenhausen säkularisiert und die Güter in Etzleben werden an Etzleber Bauern verkauft. Wir hören dabei nichts von der Werthmühle, aber sie wird wohl auch bald verkauft worden sein. Jedenfalls zinste die Mühle an den Etzleber Vogteihof des Frankenhäuser Klosters.

Idyllisch hinter der Mühle liegt die Biege zusammen mit der Mühle auf der Unstrutinsel, die vom Fluß und vom Ölmühlgraben gebildet wird. Eigentlich sind es zwei Biegen: die Große Biege und die Kleine Biege. Biege (Biegung) heißt Krümme, Krümmung. So haben wir bei Werningshausen an der Gramme die Biegen, ebenso an der Schmalen Unstrut bei Sömmerda. Der Name kommt auch sonst öfter für Fluren vor.
Beide Etzleber Biegen waren Eigentum der Dorfkirche und die Werthmühle spielt die Hauptrolle in dem Biegentausch vom 18. Februar 1929 zwischen der Kirche und dem Mühlenbesitzer. Dieser Tag ist für die Geschichte der Dorfkirche von besonderer Bedeutung. An diesem Tag wurde der von den kirchlichen Körperschaften am 25. November 1925 einstimmig beschlossene Biegentausch von der Kirchenaufsichtsbehörde in Magdeburg genehmigt.
Es handelt sich hier um die Große Biege. Diese ist, soweit sich in den Akten verfolgen lässt, von alters her Eigentum der Kirche. Der Etzleber Ortsgeistliche Pfarrer Lohmann machte in den "Heimatglocken" (Nr. 7 und 8) auf das älteste zur Zeit erreichbare Aktenstück aufmerksam, eine Matrikel der Superintendentur Weißensee vom Jahre 1575, welches über die Etzleber "pfarr Kirchen S. Lorenz" folgendes berichtet: Gottehauses einnkommen Sennderen 5 Acker arhasstigt Landt in der großen Biegen, bei der wertmuhl, ist der Kirchen Eigennthumb, 4 Acker in der kleien Biegen, werdne 2 Pfund Wachs der Kirchen zu Alten Beichlingen hierovn zu Zinsse gegeben, hat die Gemeinde bisshieher ümb die Helffte gehabt, Summe 9 Acker.
(Fortsetzung folgt)

 

Der einzige Zugang zu diesem Lande ist durch die Mühle und deren Scheune. Dieser Zugang war durch Eintragung einer Fahrgerechtigkeit zu Lasten der Werthmühle grundbuchamtlich sichergestellt worden. In früheren Zeiten wurde die Biege von dem Pfarrherrn selber bewirtschaftet. Noch heute ist in einem Titel seiner Einkünfte genannt, „aus der Biegengräserei“. Später wurde das Ackerland in 7 oder 8 Parzellen verpachtet; das Gras und die Erträge der Obstbäume wurden jedesmal einzeln verkauft. Die Bewirtschaftung der Biege brachte allerhand Schwierigkeiten mit sich. Der starke Strom der Unstrut spülte oft bedeutende Uferstücke ab, so daß Einbauten ins Wasser und Dämme nötig wurden. Die Biege ist als Riethland und somit dem Wasser ausgesetzt. Die Mühle liegt etwa 20 Minuten vom Ort; der Mühlweg dorthin war die ganzen Jahrzehnte hindurch meist in sehr wenig gutem Zustande. Vor allem aber gab es sehr oft Misshelligkeiten zwischen den Pächtern der Biege und dem Mühleninhaber. Manchmal konnte man in den letzten Jahren hören, diese Misshelligkeiten seien erst zwischen dem jetzigen Mühlenbesitzer und dem jetzigen Pfarrer als Vertreter der Kirche entstanden. Das ist (P. Lohmann schrieb das im Jahr 1929) ein großer Irrtum. Die vorhandenen Akten beweisen das Gegenteil. Z.B. weist das Landratsamt in Kölleda ein Aktenbündel auf, in dem man die in gewissen Zeitabständen sich regelmäßig wiederholenden Streitigkeiten verfolgen kann. Diese Zänkereien führten oftmals zu Gehässigkeiten bösester Art. Biegenpächter und Mühlenbesitzer bereiteten sich Schwierigkeiten über Schwierigkeiten, von weiteren zu geschweigen. Oftmals sann man in verschiedenster Weise auf Abhilfe, mehrmals war z.B. ein Brückenbau zur Beseitigung des Uebels beschlossene Tatsache. Aber nie wurde der Beschluß ausgeführt (weil es unmöglich war) und es blieb beim Alten. Die letzten Pachtperioden vor dem Kriege bewies die Kirche dem Mühlenbesitzer dadurch ihr Entgegenkommen, dass sie die Biege im Ganzen verpachtete und tunlichst dem Mühlenbesitzer als Pächter gelten ließ.

Dies wurde nach dem Krieg anders. Auch in Etzleben herrschte gewaltiger Landhunger. Der Gemeindekirchenrat wurde von Anträgen bestürmt, auch die Biege müsse unbedingt wie früher in Parzellen verpachtet werden. Diesem Antrag konnte sich die Kirchenvertretung umso weniger verschließen, als auch seitens der Kirchen- und Staatsbehörden Verpachtung in tunlichst kleinen Parzellen zur Stillung des Landhungers gefordert wurde, und man den Landhunger als vorhanden anerkennen mußte. So stand in Aussicht, daß die alten Schwierigkeiten wieder aufleben würden. Es dürfte allgemein anerkannt werden, dass ebenso der Mühlenbesitzer wie auch die Kirchenvertretung aufrichtig bemüht waren, diesen Zankapfel aus der Welt zu schaffen, bevor neue Zwistigkeiten akut würden. Manche Pläne tauchten auf, mussten aber wieder verworfen werden. Schließlich erkannte der E.K.R, dass eine endgültige Beseitigung aller Schwierigkeiten nur durch einen Landtausch eintreten könne. Daher legte er dem Mühlenbesitzer nahe, er möge der Biege in jeder Weise gleichwertiges Land zum Tausch anbieten, dann wolle E.K.R. sich mit allen Mitteln einsetzen, dass der Tausch genehmigt würde.

Nach reiflichen Erwägen seinerseits bot Herr Mühlenbeistzer Hermann Rosenblatt am 10. Oktober 1925 der Kirche 2 ha 57 ar Land von dem Ehemals Mackrodtschen Plane an der Chaussee nach Schillingstedt zum Tausch an . Es liegt nahe dem „Tännchen“ und der Teichklinge und sreckt sich lang hin; es ist auf der einen Seite von der Chaussee nach Büchel, auf der andern von dem Wege zur Teichmühle leicht erreichbar. Die Kirchenvertretung erwog reiflich, ob dies Angebot genüge und annehmbar sei. In der entscheidenden Sitzung am 25.11.1925 wurde die Annahme des Angebotes einstimmig beschlossen, nachdem mehrmals zu etwaigen Einspruch aufgefordert worden war. Leider stellten sich beim Nachsuchen um Genehmigung des Beschlusses allerhand Schwierigkeiten ein. Den Hauptanlaß dazu gaben die verschieden hohen Grundsteuereinträge. Die kirchenaufsichtliche Genehmigung wurde versagt, und der Gemeindekirchenrat drohte in corpore (2) zurückzutreten. Endlich führten weitere dingliche Verhandlungen zu den erwähnten günstigen Abschluß.

Die Beteiligten dürfen die Genugtuung haben, daß  tatsächlich ein böser Zankapfel aus der Welt geschafft wurde. Finanziell nahm die Kirche keinen Schaden, da die augenblicklichen Pächte ein mehrfaches der bisherigen Biegenpacht ergaben. Außerdem trug die Kirche zur Stillung des Landhungers bei, da sie in zehn Parzellen das Land ausbot. Möge auch dieses nunmehr vollendete Werk  - so schließt P. Lohmann seine Ausführungen - der Gemeinde zum Segen gereichen!

Dr. Alfred Berg

 

1) Wiesenwachs: nach der Oeconomischen Encyclopädie von Johann Georg Krünitz , "sämmtlichen zu einem Gute gehörigen oder in einer Gegend befindlichen Wiesen in Rücksicht ihres Grasertrages"

2) in corpore: vollständig

 

wer war Dr. Berg?

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Wissenswertes über die Werthmühle

der Biegentausch (Pfarrer Lohmann)

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